Warum Schweigen für CEOs keine Option ist
Führung mit Haltung: Ein Appell an die gesellschaftliche Verantwortung
Angesichts des rasanten Aufstiegs von Populisten und extremen Parteien sehen sich viele Unternehmensführer mit der schwierigen Entscheidung konfrontiert, ob sie klare Statements zu demokratischen Werten und gegen Extremismus abgeben sollen. Keine einfache Frage – schon gar nicht, wenn man sich damit womöglich frontal gegen den lokalen Mainstream stellt oder sogar Repressalien von (zukünftig) Regierenden für das eigene Unternehmen befürchten muss. Es ist doch bemerkenswert zu lesen, dass offenbar mehrere bekannte amerikanischer CEOs eine klare Stellungnahme gegen eindeutig Demokratie-feindliche Aussagen des republikanischen Kandidaten wohl deswegen vermieden oder wieder zurückgenommen haben, weil sie Konsequenzen nach einem Trump-Wahlsieg zu befürchten glauben. Nur zur Erinnerung: die Rede ist hier nicht von Russland, Nordkorea oder Weißrussland – sondern von der größten Demokratie der Welt.
Können es sich CEOs in entwickelten Industrieländern überhaupt leisten, „still“ zu bleiben und keine Stellung zu besorgniserregenden politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu beziehen? Oder ist es nicht vielmehr an der Zeit, klar Flagge zu zeigen und sich gegen Demokratie-zerstörende Tendenzen zu positionieren?
Traditionell waren Unternehmen vor allem dafür verantwortlich, wirtschaftliche Stabilität zu schaffen, Arbeitsplätze zu sichern und Wert für ihre Aktionäre zu generieren. Doch der zunehmende Einfluss der Globalisierung und die Verbreitung sozialer Medien haben den Fokus auf Themen wie soziale Verantwortung, Umweltbewusstsein und politische Haltung enorm verstärkt. Viele Mitarbeiter erwarten heute geradezu, dass Unternehmer sich nicht nur zu wirtschaftlichen, sondern auch zu sozialen und politischen Fragen äußern. Unternehmen und ihre CEOs sind daher längst nicht mehr isolierte Wirtschaftsakteure, sondern gesellschaftliche Akteure, die durch ihre Entscheidungen und Statements das gesellschaftliche Klima mitprägen.
Warum Schweigen keine Option ist
Schweigen oder Neutralität könnte in einem solchen Kontext im Extremfall als Akzeptanz oder gar Unterstützung missverstanden werden. Ein Unternehmen, das sich nicht positioniert, läuft Gefahr, indirekt das Entstehen eines politischen Klimas zu unterstützen, das seine eigenen Werte und langfristige Stabilität bedrohen könnte.
Gerade die Wirtschaft ist auf demokratische Strukturen angewiesen, die Stabilität, Planungssicherheit und den freien Zugang zu Märkten gewährleisten. Wenn Unternehmen aufhören, sich für diese Prinzipien einzusetzen, könnten sie mittelfristig die Grundlagen ihres eigenen Erfolgs gefährden. Der Rückzug aus – oder die Nicht-Teilnahme an der politischen Debatte in Zeiten zunehmender Polarisierung könnte daher sowohl für die Unternehmen als auch für die Gesellschaft schwerwiegende Konsequenzen haben.
Eine mutige Position stärkt das Vertrauen der Stakeholder
Eine klare Haltung kann das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitern und Investoren stärken. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen ihre Entscheidungen über Konsum, Karriere und Investitionen anhand ethischer und politischer Kriterien treffen, kann ein Unternehmens-Chef, der oder die offensiv klare Werte vertritt, einen Wettbewerbsvorteil haben. Wie wir alle längst wissen: zahlreiche Studien belegen, dass Menschen eher bereit sind, Unternehmen zu unterstützen, die eine glaubwürdige und authentische Haltung einnehmen.
Eine eindeutige Positionierung erfordert Rückgrat und Mut. Eine solche Haltung wird dann aber häufig auch intern mit mehr Zusammenhalt und Identifikation belohnt. Wir beobachten in unserem Beratungsalltag, dass insbesondere die heiß umworbenen „jungen Talente“ vor allem nach Arbeitgebern suchen, deren Werte mit ihren eigenen korrespondieren.
Die Risiken der Polarisierung
Natürlich bringt eine politische Positionierung auch Risiken mit sich. Wenn ein Unternehmen und seine Führung sich offen gegen undemokratische Tendenzen und extreme Positionen aussprechen, wird dies möglicherweise an manchen Stellen anecken und provozieren. Unternehmen können theoretisch Gefahr laufen, Teile ihrer Kunden oder Partner sogar zu verlieren oder auch politisch instrumentalisiert zu werden. Diese Risiken können durch einen strategischen Ansatz jedoch minimiert werden. Eine klare, differenzierte Kommunikation, die auf einer tiefen Überzeugung für demokratische Werte basiert, sollte helfen, das Unternehmen glaubwürdig und authentisch zu positionieren.
Statt sich rein parteipolitisch zu äußern, sollten Unternehmensführer im Normalfall betonen, dass sie sich für demokratische Grundwerte wie Meinungsfreiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Aber manchmal nützt es einfach nichts: Dann muss man im Extremfall auch bereit sein, Farbe zu bekennen und spezifische Gefahren für die Demokratie als solche zu benennen. Wie praktisch, dass ich keinen US-amerikanischen Pass besitze und mich nicht in die Wahl auf einem anderen Kontinent einzumischen habe – sonst müsste ich als aktiver Wähler und überzeugter Demokrat wohl sofort unzweideutig werden.
Fazit: Verantwortung übernehmen statt schweigen
In einer Zeit, in der undemokratische Kräfte zunehmend an Einfluss gewinnen, können es sich Unternehmensführer nicht mehr leisten, wegzuschauen und neutral zu bleiben. Ein Unternehmen in der westlichen Welt, das seine gesellschaftliche Verantwortung ernst nimmt, sollte klar Stellung für Demokratie, Toleranz und Vielfalt beziehen. Solche Werte sind nicht nur die Grundlage unseres politischen Systems, sondern auch die Basis für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Eine mutige Positionierung schützt nicht nur das Unternehmen selbst, sondern stärkt auch die demokratische Gesellschaft, auf die wir alle angewiesen sind.