Rollentrennung als Schlüssel zum Erfolg

Empfehlungen für Familienunternehmen in der 2. und 3. Generation

von Dr. Christian Bühring-Uhle

Um auf ein erfolgreiches Unternehmerleben zurückblicken zu können, sollte man nicht nur ein leistungsfähiges und wertvolles Unternehmen aufgebaut haben, sondern man sollte auch durch eine tragfähige Nachfolgelösung die Grundlage für eine nachhaltige weitere Entwicklung geschaffen haben – große Werke überdauern ihre Schöpfer. Mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen sind in Familienhand. Aber nur in etwa einem Viertel der Fälle gelingt der Übergang in die dritte Generation. Nicht immer stehen Kinder oder Enkel, oder auch Nichten und Neffen im „richtigen“ Alter zur Verfügung, die den Willen – und die Fähigkeit im Sinne von Ausbildung, Erfahrung und Persönlichkeit – haben, ein Unternehmen zu führen. Und nicht immer stimmt die Einstellung: Sehen sie die potenziellen Nachfolger als „Diener“ des Unternehmens, seiner Inhaber, seiner Mitarbeiter und der Gemeinschaft, in der es angesiedelt ist? Oder empfinden sie sich als „Gutsherren“, mit dem angeborenen Recht Chef zu sein, ohne lästige Rechenschaftspflichten?Wenn eine Unternehmung in die nächste Generation übertragen wird, entfällt häufig die Deckungsgleichheit von Inhaber und Geschäftsführer, die typischerweise prägend ist für das Gründungsunternehmen. In der zweiten Generation gibt es häufig Gesellschafter, die nicht im Unternehmen arbeiten, und häufig trifft man auch Familienmitglieder an, die zwar im Unternehmen arbeiten, die aber (noch) nicht zum Gesellschafterkreis gehören. Aber auch wenn alle Inhaber Geschäftsführer sind, und alle Geschäftsführer Anteile am Unternehmen halten, so arbeiten diese doch nicht einfach nur „für sich selbst“, sondern sie arbeiten, meistens sogar überwiegend, „für andere“, sind insofern als „Diener“ zu verstehen und schulden den übrigen Gesellschaftern Rechenschaft. Hieraus erwachsen Spannungen, die, wenn sie nicht adäquat beherrscht werden, ein Unternehmen zugrunde richten können. Ungefähr 70% der erfolgreichen Unternehmerfamilien verlieren zwischen der ersten und der dritten Generation die Kontrolle über das unternehmerische Vermögen – und die Harmonie in der Familie. In 60% der Fälle ist dies auf interpersonale Konflikte (Störungen in Vertrauen und Kommunikation) zurück zu führen.

Die wichtigsten “neuralgischen Punkte” sind:

  • Wie schafft man angemessene, wirkungsvolle Überwachungsmechanismen für Geschäftsführer, die (Mit-) Inhaber sind?
  • Wie stellt man sicher, dass die Geschäftsführung in Grundsatzfragen die Entscheidungen erwirken kann, die von einem kompetenten Inhaber erwartet werden müssen (rechtzeitige, fundierte Entscheidungen)?
  • Wie erreicht man es, dass die im Unternehmen tätigen Familienmitglieder ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt, entwickelt, geführt und vergütet werden?
  • Wie werden die Interessen der nicht im Unternehmen tätigen Gesellschafter gewahrt?
  • Wie kann das in vielen Hierarchien anzutreffende Phänomen vermieden werden, dass Führungskräfte im Laufe der Zeit an eine Stelle befördert werden, in der sie überfordert sind? Hierfür sind Familienunternehmen besonders anfällig, da oft besondere Rücksichten genommen werden, wenn Mitarbeiter „zur Familie“ gehören oder „der Familie“ über lange Jahre loyal gedient haben.
  • Wie können erstklassige Talente gewonnen, ausgewählt, integriert und im Unternehmen gehalten werden – unabhängig davon, ob es sich um Externe oder auch Familienmitglieder handelt?

Der Schlüssel zur Lösung aller diesen Fragen ist eine saubere Trennung der Rollen von Eigentümer und Geschäftsführung. Das Ziel muss sein, beide Rollen professionell und wirkungsvoll auszufüllen, um sowohl das Unternehmen in seinem Bestand zu sichern und auszubauen, als auch um den Frieden in der Inhaberfamilie zu wahren. Dies erfordert allerdings typischerweise bei den handelnden Personen einen Paradigmenwechsel. Insbesondere die zweite Generation, die in eine Unternehmerfamilie hineingeboren wurde, in der typischerweise der Inhaber, oder oft auch ein Inhaber-Ehepaar, das eigene Unternehmen geführt hat und schalten und walten konnte, wie es ihm (oder ihr, oder ihnen) beliebte, muss verstehen und verinnerlichen, dass „das Spiel“ in der nachfolgenden Generationen ein anderes ist. Diejenigen, die in der Führung des Unternehmens aktiv sind, müssen begreifen, dass sie in erster Linie dem Unternehmen und seinen Inhabern in ihrer Gesamtheit dienen. Das heißt, sie müssen transparent agieren, sich Fragen gefallen lassen und Rechenschaft ablegen. Das ist mit einer „Gutsherrenmentalität“ nicht in Einklang zu bringen. Und für die Gesellschafter bedeutet dies, ganz gleich ob sie an der Unternehmensführung beteiligt sind oder nicht, dass sie den Mut aufbringen und sich die Kompetenz aneignen müssen, um den Bruder, Onkel, Vetter, Neffen (oder Schwester, Tante etc.) zu überwachen und Transparenz und Rechenschaft einzufordern. Hierbei handelt es sich nicht nur um die Ausübung eines Rechts als Mit-Inhaber, sondern auch um eine Pflicht, dem eigenen Vermögen und dem der eigenen Familie gegenüber, aber auch gegenüber dem Familienmitglied, das eine oft schwierige und belastende Aufgabe und Verantwortung übernommen hat und ein Recht (und typischerweise auch den Bedarf) hat, Feedback zu erhalten und sich weiter entwickeln zu können.

Diese Aufgabe des professionellen Inhabers ist nicht einfach, aber sie ist unausweichlich. Und ab einer bestimmten Größenordnung von Unternehmen ist diese Aufgabe oft ohne die Hilfe kompetenter Dritter, typischer Weise in Form eines Aufsichts- oder Beratungsorgans, nicht angemessen zu bewerkstelligen. Bei Aktiengesellschaftern gibt es dafür den Aufsichtsrat, wobei es zusätzlich oft noch einen Gesellschafterrat oder Familienrat gibt, insbesondere wenn der Aktionärskreis durch eine Familie geprägt wird und der Aufsichtsrat mitbestimmt ist. In der weit überwiegenden Zahl von Familiengesellschaften fällt aber diese Rolle dem Beirat zu.

Ein solches Gremium kann der Schlüssel zur kompetenten Wahrnehmung der Inhaberrolle und damit zur sauberen Trennung der Rollen von Inhaber und Geschäftsführung sein – wenn dieses Gremium das richtige Mandat, die richtige Besetzung und die richtige Einstellung hat. Zum Mandat gehört entweder die Übertragung von Gesellschafterrechten, also die Kompetenz grundlegende Entscheidungen zu treffen, oder zumindest die Verpflichtung, dass der Beirat (oder ein vergleichbares Gremium) zu wichtigen Fragen angehört und zu einer Stellungnahme aufgefordert wird. Die Besetzung ist von überragender Bedeutung. Sowohl die Inhaberfamilien mit ihren Werten und strategischen Zielen sollte dort angemessen vertreten sein, als auch Externe, die sowohl unternehmerischen Sachverstand, relevante Branchenkenntnis und Erfahrung in der Führung von Unternehmen mitbringen, als auch eine hinreichende Distanz zu den handelnden Personen aufweisen. Auch die Einstellung ist von großer Bedeutung: neben strikter Objektivität und Unparteilichkeit, gekoppelt mit einer vollständigen mentalen und materiellen Unabhängigkeit, müssen Beiräte, um gute Sparring Partner sein zu können, auch den Mut haben unbequeme Fragen zu stellen und unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Auch müssen sie die Hartnäckigkeit aufweisen, sich nicht mit ausweichenden Antworten oder Mittelmaß zufrieden zu geben. Eine besondere Rolle kommt naturgemäß dem (oder der) Beiratsvorsitzenden zu, der (oder die) dem Ganzen Orientierung gibt, im Interesse der Inhaber „die Führung führt“ und eine wichtige Brückenfunktion innehat – zwischen Eigentümern und Management, aber manchmal auch innerhalb der beiden Kreise, also zwischen Gesellschaftern und zwischen Mitgliedern des Managements.

Es ist nicht leicht den angesprochenen Paradigmenwechsel herbeizuführen und eine belastbare Struktur für die kompetente Wahrnehmung der Inhaberrolle aufzubauen – und zu besetzen. Oft wird dies ohne kompetente und vertrauenswürdige externe Unterstützung nicht möglich sein. Aber der Aufwand lohnt sich, denn nur mit einer guten Nachfolgelösung kann das erfolgreiche Unternehmerwirken vollendet werden.