Kampfgeist

Familienunternehmen im Auge des Sturms (2)
Eine internationale Umfrage

In unserem ersten Artikel haben wir uns auf die massiven Herausforderungen fokussiert, vor denen Familienunternehmer derzeit stehen – und wie sich diese beispiellose Krise auf deren Unternehmen auswirkt. Am häufigsten wurden die Unsicherheit und Unplanbarkeit in Bezug auf die kurz- und mittelfristige Zukunft, die große Sorge um die Mitarbeiter und natürlich der oft massive Umsatz- und Gewinnrückgang mit der Notwendigkeit eines effektiven Cash-Managements erwähnt. Insgesamt jedoch, und obwohl sich die Befragten ihrer großen Belastungen und Verantwortlichkeiten zutiefst bewusst sind, haben wir einen größeren Optimismus konstatiert, als wir vorher erwartet hatten. Wir waren positiv überrascht von der häufig spürbaren, großen Entschlossenheit und dem tiefen Grundvertrauen bei unseren Gesprächspartnern, diese Krise auch bewältigen zu können.

Als Familienunternehmen („FU“) zum ersten Mal von Covid19 betroffen wurden, reagierten die meisten von ihnen sehr schnell und begaben sich in einen „Krisenmanagement-Modus“. Eine Reihe der von uns befragten Unternehmer, die im asiatisch-pazifischen Raum tätig sind, gaben an, dass sie die Situation in China genau beobachtet und daraus einige erste Lehren gezogen hätten, bspw. in Bezug auf die Einführung von Sicherheitsprotokollen und die Änderung von Schichtmustern. Im Folgenden fassen wir einige der wichtigen Maßnahmen zusammen, die von FUs vorgenommen wurden.

Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

Auffallend ist, dass jeder einzelne Eigentümer und CEO, mit dem wir gesprochen haben, die verstärkte Kommunikation insbesondere mit der Belegschaft als eine der wichtigsten Reaktionen nannte. Sowohl die Aktualität als auch die Tonalität der Botschaft seien wichtig: „Sie müssen sachliche Klarheit darüber schaffen, was getan wird – kombiniert mit viel menschlichem Einfühlungsvermögen.“; „Wir waren offen und ehrlich zu allen Mitarbeitern, blieben in der Nähe, schickten regelmäßig Updates.“; „Die konstante Botschaft lautete: Wir stecken da alle gemeinsam drin.“

Einige Eigentümer hat die Notwendigkeit zu intensiverer Kommunikation geradezu aus ihrer eigenen Komfortzone herausgerissen; wir hörten von Menschen, die Unternehmer um sehr persönlichen Rat baten und sie in eine „paternalistische“ Rolle drängten, die sie vorher nie angestrebt hatten. Teilweise hat dies fast einen Bruch mit der Tradition erforderlich gemacht („Die Familie war historisch gesehen sehr schüchtern, wir hielten uns gerne zurück.“).

Fast alle CEOs gaben an, dass sie besonders auch darauf geachtet hätten, die Häufigkeit ihrer Einzelgespräche mit den Gesellschaftern zu erhöhen. In einigen Fällen ging der Kontakt von wöchentlichen/monatlichen zu täglichen Aktualisierungen über (was oft eine 24/7-Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit bedeutete – „Nachts, am Wochenende, über Ostern…“). Und es ist nicht nur die Häufigkeit der Interaktionen, die sich geändert hat. Viele CEOs haben erlebt, dass der Grundtenor ihrer Gespräche mit Eigentümern emotional aufgeladener geworden ist. Ein CEO, dessen bereits älterer Hauptgesellschafter enge Freunde durch den Virus verloren hat, glaubt bemerkt zu haben, dass sich der „alte Herr“ zunehmend mehr auf ihn verlässt, auch um ihn zu beruhigen oder sogar zu trösten. Dies hat die beiden einander nähergebracht, obwohl es für den CEO teilweise sogar einen zusätzlichen Verlust eigener, emotionaler Energie bedeutet.

Informationsbeschaffung

Alle Befragten haben versucht, ihre persönlichen Netzwerke zu nutzen, aber auch relevante Daten aus öffentlichen Nachrichtenquellen, Regierungsverlautbarungen und Branchengremien zu sammeln. Einige haben auch bewusst private Firmen konsultiert, darunter Strategieberatungsfirmen und Marktforschungsinstitute. Trotzdem, und vermutlich wegen vielen Widersprüchlichkeiten und der permanenten Veränderung der Datenlage, fühlen sich viele CEOs und Eigentümer immer noch zu wenig darüber informiert, was andere Unternehmen wirklich tun und was dabei die Standards sind oder auch „vorbildliches Verhalten“ darstellt.

Arbeitskosten

Im Gegensatz zu US-amerikanischen Aktiengesellschaften, die innerhalb weniger Wochen Millionen von Arbeitnehmern entlassen haben (bis Ende April über 30 Millionen neue Arbeitslose in den USA), haben wir dazu in Europa praktisch nichts gehört. Im Gegenteil bemühen sich die meisten FUs hierzulande aktiv darum, Entlassungen zu vermeiden. Häufig ist diese Abneigung gegen Entlassungen auch auf ein tief verwurzeltes Verantwortungsgefühl gegenüber der Region zurückzuführen, in denen man tätig ist; insbesondere, wenn sich der Hauptsitz des Unternehmens in einer Kleinstadt befindet und man ggf. der größte Arbeitgeber am Platz ist. Manchmal spielt nicht zuletzt Angst vor Rufschädigung eine Rolle („die Familie will keine schlechte Presse“). Einige FU-Eigentümer wollen vermeiden, wichtige Top-Talente zu verlieren und haben den Schutz ihrer Arbeitgebermarke im Auge, um im Wettbewerb um Talente mittelfristig nicht den Kürzeren zu ziehen. Die meisten FUs haben sich stattdessen für eine Reihe maßvollerer Maßnahmen entschieden, die Kurzarbeit, Teilzeitarbeit, Zwangsurlaub, Einstellungsstopps, Lohnkürzungen für Arbeiter und Gehalts-/Bonuskürzungen für Führungskräfte umfassen. Diese Maßnahmen bedeuten für viele Beschäftigte in den Betrieben zwar den Schutz vor einer Entlassung, bringen aber dennoch erhebliche wirtschaftliche Härten mit sich. Und für die CEOs, die dies ihren Teams vermitteln müssen, bedeutet es viele „schwierige“, „harte“ und/oder „leidenschaftliche“ Gespräche.

„Ein strengeres Regiment führen“

Zusätzlich zur Bekämpfung der Arbeitskosten kürzen die Unternehmen auf breiter Front Ausgaben, inklusive der Investitionsausgaben. Einige nutzen die Krise, um Restrukturierungen durchzusetzen, die sonst („in normalen Zeiten“) schwieriger gewesen wären. „Cash is king“ scheint das Leitmotiv zu sein, und viele FUs managen ihre Liquidität „aggressiv“. Dort wo möglich, nutzen Unternehmen auf breiter Front staatlich abgesicherte Darlehen und andere staatliche Hilfsprogramme. Viele FUs haben darüber hinaus „Krisenausschüsse“ und sogar „Pandemie-SWAT-Teams“ eingerichtet, um die Organisation erfolgreich durch den Sturm zu lotsen.

Teamgeist

Bei einem Familienunternehmen in Deutschland schrieben der Gründer und die weiteren Familiengesellschafter, einschließlich seiner Frau und Kinder, persönliche Briefe an die Geschäftsführungen aller Gruppenunternehmen und sicherten ihnen die „vollumfängliche Unterstützung“ der Familie in dieser Krisenzeit zu. Außerdem wurde ein Notfallfonds eingerichtet, um Mitarbeitern in Not zu helfen. Dieser Fonds wird teilweise durch ausgesetzte Bonuszahlungen und Dividendenverzicht von Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Gesellschaftern der Holdinggesellschaft aufgestockt.

Heimarbeit

Fast jedes Unternehmen war gezwungen, als Reaktion auf Abstandsregeln, Verbote von Gruppensitzungen, Grenzschließungen und Startverbot für Flüge irgendeine Form der virtuellen oder Heimbüroarbeit für Führungskräfte einzuführen. Viele Manager sind immer noch dabei, sich an diesen neuen Arbeitsstil zu gewöhnen und mussten vor allem lernen, wie sie mit den jetzt voneinander entfernten Teams umgehen sollen. Die meisten Unternehmensführer sind überrascht, wie gut das alles funktioniert, aber viele bezweifeln, dass Videokonferenzen physische Sitzungen nun auf Dauer vollständig ersetzen können, insbesondere auf GF-Ebene oder bspw. bei Strategiemeetings oder Führungskräftetagungen, die früher häufiger auch außerhalb der Firmen organisiert wurden.

Perspektivenwechsel

Angesichts der Krise mussten viele CEOs, was eigentlich nicht weiter überrascht, die von ihnen sorgfältig erarbeiteten, strategischen Konzepte plötzlich zur Seite legen; jetzt geht es kurzfristig ums Überleben, die Aufrechterhaltung des Kerngeschäfts und die Bewältigung unmittelbarer Probleme. Wir hörten von langfristigen Innovationsprojekten, die aufgrund von Einstellungsstopps oder Kostenmaßnahmen zurückgestellt werden mussten. Die meisten FUs haben angedachte Übernahmen zurückgestellt; entweder weil sie die liquiden Mittel zur Aufrechterhaltung des bestehenden Geschäfts benötigen, oder mit sinkenden Bewertungen rechnen – oder einfach, weil sie in diesen unbeständigen Zeiten schlicht abwarten und verstehen möchten, wie das „New Normal“ aussehen wird.

In unserem nächsten Artikel werden wir uns vor allem auf die Chancen konzentrieren, die die Krise für Familienunternehmen und deren Entwicklung hervorbringen kann.