Gewinnen und Halten von Top-Managern

Fremdmanager in Familienunternehmen (II)

von Andreas von Specht und Nick Harris

In den letzten zwei Jahren haben wir zusammen mit INSEAD & PwC an einer europaweiten Studie gearbeitet, die sich mit dem Thema „Externe Nachfolge in Familienunternehmen“ befasst. In unserem vorherigen Artikel haben wir die wichtigsten Ergebnisse unserer gemeinsamen Studie zum Thema Nachfolge im einzigartigen Kontext eines Familienunternehmens („FU“) zusammengefasst. In diesem zweiten Artikel befassen wir uns nun eingehender mit den Schlüsselthemen Rekrutierung, Integration und Bindung von Führungskräften.


Externe Führungskräfte finden und binden

Externe Führungskräfte spielen häufig eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der langfristigen Zukunft und des Wohlstands eines FU. Es gibt aber durchaus auch Eigentümerfamilien, die größere Bedenken hinsichtlich dieser Option äußern. Es stellt sich also die Frage, wie das Rekrutieren und Binden erfolgreich gelingen kann. Wie können Eigentümer die seltene Spezies exzellent qualifizierter und darüber hinaus für FU wirklich geeigneter externer Manager erfolgreich identifizieren, auswählen und langfristig halten?

  • Die Auswahl eines neuen CEO, COO oder CFO für ein FU ist ziemlich komplex. Kritische Kompetenzen, aber auch künftiges Entwicklungspotential müssen bewertet werden. Die Eignung für die spezifische Kultur des FU (oder auch ein Family Office) – häufig also die „Mittelstandsbefähigung“ – ist absolut entscheidend. All dies muss in einer Reihe von Interviews und durch einen umfassenden Referenzprozess bestätigt werden.
  • Eine Art „erfolgsbasierte Vorhersage“ ist grundsätzlich wichtig. Insbesondere bei der Bewertung von Kompetenzen wie Ergebnisorientierung, Veränderungsfähigkeit oder der Führung von Hochleistungsteams: Was hat jemand in der Vergangenheit geleistet, woraus sich eine Vorhersage der zukünftigen Erfolgswahrscheinlichkeit ableiten lässt? Und „wie“ hat er oder sie das gemacht?
  • Der FU-Eigentümer muss sich auch ein Bild über das zukünftige Potenzial externer Kandidaten machen: Wie werden sie mit Unwägbarkeiten, unvorhergesehenen Herausforderungen und neuen Situationen umgehen?
  • Die Bewertung von Kompetenzbereichen und Entwicklungspotenzialen lässt sich am besten anhand von „Wie“-Fragen beurteilen. Die typischen „Was“-Fragen (z.B. „Was haben Sie in der Situation gemacht oder vorgefunden?“), die in vielen traditionellen Interviews immer noch am häufigsten vorkommen, sind nicht ausreichend. Nicht ausreichend herausfordernd und zu wenig aufschlussreich – und sie machen es überdies Kandidaten oft zu leicht, in den Erzähl- oder Verkaufsmodus zu wechseln. Wie genau der Kandidat bspw. bei der Umsetzung einer digitalen Transformation vorgegangen ist, erscheint aufschlussreicher, als die bloße Aussage, er habe eine digitale Transformation angestoßen.
  • Unsere Studie ergab übrigens, dass 83% der befragten Führungskräfte vor ihrem Eintritt in das FU keinerlei Berührung mit der Eigentümerfamilie oder dem FU hatten. Für einen Einstellungsprozess ist es daher entscheidend, dass beide Seiten im relativ kurzen Einstellungsprozess wirklich ihre jeweiligen Hausaufgaben machen. Ein Scheitern ist äußerst kostspielig. Beide Seiten sollten eine Art ‚Due Diligence‘ durchführen – übereinander! Eine Selbstverständlichkeit? Nicht wirklich. Selbst höchst erfolgreiche und erfahrene Familienunternehmer können z.B. sehr schlechte Interviewer sein, die sich viel zu stark im „Verkaufsmodus“ über ihr Unternehmen befinden. Anstatt den externen Kandidaten wirklich intensiv kennenzulernen und durch gute Fragen sorgfältig zu prüfen, laufen sie dann Gefahr, hauptsächlich über sich selbst, die Familie und vor allem das FU zu sprechen. Aber auch auf der Gegenseite kommen erstaunlich viele Kandidaten unzureichend vorbereitet in das entscheidende Interview, ohne vorab ihre Hausaufgaben über das Geschäft und/oder die Familie, den Beirat, den Markt usw. gemacht zu haben – und ohne wirklich herausfordernde Fragen an den Eigentümer.


Hoffnungen und Befürchtungen

  • Sowohl Eigentümer als auch externe CEOs gehen mit „Hoffnungen und Befürchtungen“ in diese Auswahlprozesse. Die Gesellschafterfamilie muss in die Lage kommen, ein sicheres Gefühl des Zutrauens zu entwickeln, ihr Unternehmen kurzfristig in die Hände eines kompetenten und vertrauenswürdigen Geschäftsführers übergeben zu können.
  • Die Hoffnungen der Führungskräfte konzentrieren sich darauf, eine neue berufliche Heimat zu finden, die möglichst durch langfristige Orientierung, fundierte Investitionsentscheidungen, flache Hierarchien, unternehmerische Freiheiten, schnelle Entscheidungen usw. geprägt ist. All die gängigen Vorteile eines gut geführten und funktionierenden FU.
  • Ihre Befürchtungen beziehen sich dagegen auf das „Funktionieren“ der Gesellschafterfamilie, versteckte Agenden oder gar offene Konflikte unter Familienmitgliedern – und einen (häufig wahrgenommenen) Mangel an Transparenz. Sie haben fast alle von den Risiken irrationalen Verhaltens von Familiengesellschaftern oder der Lähmung von Prozessen durch ungelöste Konflikte gehört. Das Fazit lautet: Beziehungen müssen klar definiert werden und Vertrauen muss aufgebaut werden. Zwischen der Familie, dem Aufsichts-/Beirat und dem neuen CEO.
  • Ein Kriterium, das diese Beziehungen stark beeinflusst, ist der Zustand des Unternehmens, in welchem der oder die externe Manager(in) die neue Rolle übernimmt – und der Grad an Transparenz, mit dem die „reale Situation“ den Kandidaten im Voraus offengelegt wurde!
  • Dem Aufsichtsrats- oder Beiratsvorsitzende wird während und nach dem Einstellungsprozess übrigens eine sehr wichtige Brückenbildungsfunktion beim Aufbau dieser Beziehungen zugeschrieben. (Mit den Worten eines von uns befragten CEO: „Umsichtige Führung führt zu besserem Verhalten.“)


Eigentümer und Geschäftsführer müssen sich auf einen „Änderungsvertrag“ einigen

Von außen in ein Familienunternehmen einzusteigen, kann eine echte Herausforderung sein. Die Bedeutung von Onboarding- und Integrationsprozessen in FU wird jedoch immer noch stark unterschätzt! Aktives Onboarding erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit einer externen Nachfolge.

  • Onboarding wird häufig sowohl von FU-Gesellschaftern als auch von der neu startenden Führungskraft als Formalität angesehen. Viel Energie, Aufmerksamkeit und hohe Beraterhonorare werden häufig in den Suchprozess investiert, aber „der Rest“ – d.h. was nach der Vertragsunterzeichnung passiert – wird dann eher dem Zufall überlassen. Ganz nach dem Motto: „Ein teurer CEO sollte schließlich auch allein schwimmen können.“ Wir sehen das anders und sind der festen Überzeugung, dass Onboarding und Integration als integrale Bestandteile des Einstellungsprozesses angesehen werden sollten! Und die Entwicklung eines entsprechenden Programms sollte ganz sicher nicht allein der Personalabteilung überlassen werden.
  • Ein wichtiges Element eines solchen Onboarding-Prozesses könnte als „Veränderungsvertrag“ bezeichnet werden: eine explizite Vereinbarung zwischen den Eigentümern und dem neuen CEO darüber, wie viel Änderung, Verbesserung oder Transformation im Unternehmen „wirklich gewünscht“ und/oder erforderlich ist. Wir haben viele Situationen erlebt, in denen beide Seiten „dachten“, sie hätten eine solche Einigung über den Grad der notwendigen Veränderung oder die Geschwindigkeit bei der geplanten Umsetzung erzielt, aber in Wirklichkeit waren sie wohl Welten voneinander entfernt.
  • Es ist auch wichtig, dass die Veränderungs-Agenda transparent gemacht und nicht nur hinter verschlossenen Türen diskutiert wird: ‚Buy-in‘ und proaktive Kommunikation im gesamten Management und in das Unternehmen hinein sind entscheidend! Der Schwung und die Energie, die durch die formale Übergabe der Unternehmensführung entstehen, sollten ebenfalls dafür wirksam genutzt werden.
  • Onboarding & Integration beginnt idealerweise bereits in der Interviewphase. Je offener, ehrlicher und transparenter diese Diskussionen sind, desto besser!


Eine aktive Integration erfolgt in drei Phasen

Sobald ein erfolgreicher Kandidat identifiziert und der Einstellungsprozess abgeschlossen wurde, gibt es drei wichtige Phasen:

  • Phase I (zwischen Vertragsunterzeichnung und Start): Diese Phase sollte genutzt werden, um ein tiefes Verständnis der Organisation und seiner Prozesse zu entwickeln. Ein umfassender Onboarding-Plan sollte gemeinsam verabschiedet werden. Wichtige Schnittstellen und Ansprechpartner müssen identifiziert werden. Wir haben auch schon mehrere Situationen erlebt, in denen der neue CEO – unterstützt von der Eigentümerfamilie – in dieser Phase ein Management Audit des Führungsteams in Auftrag gegeben hat, um möglichst direkt beim Start im neuen Unternehmen eine objektivierte, qualitative Bewertung der wichtigsten Teammitglieder zu erhalten.
  • Phase II (die ersten 90 Tage): Dies ist eine Phase, in der Vertrauen aufgebaut wird. Der neue CEO initiiert Einzelgespräche, trifft alle wichtigen Entscheider und baut eine persönliche Beziehung zum Managementteam auf. Gut organisiertes und regelmäßiges Feedback ist jetzt wichtig; selbst kleinere Kommunikationsprobleme sollten in dieser Zeit sofort angegangen und behoben werden. In dieser Phase sollte der neue CEO auch eine Art „elevator speech“ für unterschiedlichste Begegnungen parat haben, in der er prägnant die Gründe für den Eintritt in das Unternehmen erläutert und erklärt, was er in Zukunft erreichen möchte.
  • Phase III (die zweiten 90 Tage): In den folgenden drei Monaten geht es darum, echte Dynamik zu entwickeln. Nach vielem Zuhören, Beobachten und Analysieren müssen nun erste Aktivitäten einsetzen – wichtige Entscheidungen sollten angekündigt und Veränderungsprogramme eingeleitet werden. Es ist essenziell, dass es in dieser Phase auch einige Überprüfungen gibt: dabei kann z.B. ein 360°-Feedback oder eine andere Art von strukturiertem Feedback-Prozess helfen sicherzustellen, dass nirgendwo Sand ins Getriebe kommt und alle Entscheider weiterhin gut aufeinander abgestimmt sind.