Nachfolge gelingen lassen
Fremdmanager in Familienunternehmen (I)
von Andreas von Specht und Nick Harris
In den letzten zwei Jahren haben wir zusammen mit INSEAD & PwC an einer europaweiten Studie gearbeitet, die sich mit dem Thema „Externe Nachfolge in Familienunternehmen“ befasst. Wir waren gerade dabei unsere Studie im Februar 2020 zu veröffentlichen, als die Corona-Pandemie plötzlich ausbrach. Wir haben uns seinerzeit daher entschlossen, weitere Interviews durchzuführen, um genauer zu untersuchen, wie Familienunternehmen mit dieser globalen Krise umgehen.
Einige der wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse sind:
- „Nachfolge“ ist weiterhin die größte und wichtigste Herausforderung, mit der Eigentümerfamilien konfrontiert werden.
- Die Eigentümer von Familienunternehmen möchten nicht nur ein Unternehmen weitergeben, sondern auch ein Vermächtnis an die nachfolgenden Generationen.
- Familienunternehmen, die von externen Führungskräften geführt werden, entwickeln sich häufig deutlich besser als solche, die von den Eigentümern selbst geführt werden.
- Familienunternehmen sind besser in der Lage, die Auswirkungen von COVID-19 zu bewältigen als öffentliche Unternehmen.
- COVID-19 hat die Abkehr vom Stereotyp des CEO als „charismatischer, einsamer Entscheidungsträger“ beschleunigt.
- Eigentümer und CEOs sollten sich vorab auf eine Art „Veränderungsvertrag“ einigen – über Art und Geschwindigkeit der Transformation, die ein Unternehmen benötigt, noch bevor der neue CEO beginnt.
- Es ist eine große Herausforderung, von außen in ein Familienunternehmen einzusteigen. Ein aktives Onboarding- und Integrationsprogramm erscheint unerlässlich.
Familienunternehmen („FU“) agieren ohnehin schon in einem sehr herausfordernden Umfeld – und dies umso mehr in einer globalen Krise. Schauen wir uns nun einige der wichtigsten Ergebnisse genauer an:
Nachfolge ist weiterhin die größte und wichtigste Herausforderung, mit der Eigentümerfamilien konfrontiert werden
- Insgesamt ist die Notwendigkeit, externe Führungskräfte in FU zu integrieren, ziemlich offensichtlich und selbsterklärend. Top-Talente innerhalb der Unternehmerfamilien sind meist selten – und diejenigen, die begabt, qualifiziert und zusätzlich auch noch an der Übernahme von Verantwortung im elterlichen Unternehmen interessiert sind, sind noch seltener. Gleichzeitig werden die Herausforderungen und Risiken externer Ernennungen jedoch ebenfalls als hoch angesehen.
- Nachfolge kann in FU drei verschiedene Dimensionen abdecken: Führung, Aufsicht und Eigentumsnachfolge. Insgesamt ist die Regelung der Nachfolge die wichtigste Herausforderung, der sich Unternehmerfamilien stellen müssen.
- Wie wir alle wissen, überleben nur wenige FU den Übergang von einer Generation zur nächsten. Und es scheint mit jeder neuen Generation schwieriger zu werden. Ein einziger, nicht talentierter oder unzureichend geeigneter Familiennachfolger kann ausreichen, um ein FU in die Knie zu zwingen.
- Darüber hinaus ist die Anzahl der NextGen-Mitglieder aus Eigentümerfamilien, die bereit und qualifiziert für eine Nachfolge sind, über viele Jahre hinweg stetig gesunken. Heute scheint die Anzahl auf einem Rekordtief zu sein. Eigentümerfamilien ohne eigene Führungstalente haben oft also gar keine andere Wahl, als nach draußen zu schauen.
- Viele Unternehmerfamilien haben jedoch wenig oder keine Erfahrung mit der externen Rekrutierung von Top-Talenten – und machen dann vieles falsch. Besonders beim ersten Mal – und noch häufiger, wenn sie sich dabei nicht professionell beraten lassen.
- Trotz der offensichtlichen Vorteile der Einstellung externer Führungskräfte äußern manche Eigentümer von FU große Bedenken hinsichtlich dieser Option. Sie scheinen den Übergang zu einem Nicht-Familienmitglied als einen möglichen Macht- und Kontrollverlust über ihr Unternehmen zu fürchten. Und sie argumentieren dann, dass ein Familienmitglied – zumindest aber ein interner Kandidat, der schon lange bekannt ist und sich über viele Jahre bewährt hat – die deutlich sicherere Option sei.
- Und manchmal gibt es auch noch ein anderes, emotionaleres Motiv für Skepsis und sogar Angst mit Blick auf eine externe Nachfolge, ganz besonders in Bezug auf den Spitzenjob: Inhaber von FU möchten ja nicht nur Unternehmensanteile weitergeben, sondern auch ein Vermächtnis an zukünftige Generationen.
Wir haben die Vor- und Nachteile der internen Nachfolge im Gegensatz zu einer externen Ernennung etwas genauer untersucht:
Interne CEO-Nachfolge
- Das schlagkräftigste Argument für eine interne Ernennung heißt häufig „Kontinuität“. Ein(e) Nachfolger(in), der oder die von innen ge- und befördert wurde, ist für die Gesellschafter eine bekannte Größe – und kennt im Gegenzug auch bereits die Organisation. Seine/ihre Lernkurve ist weniger steil – und das Risiko einer solchen Nachfolge erscheint entsprechend begrenzt.
- Das Argument gegen eine solche interne Ernennung hat oft mit „Veränderung“ zu tun. Je offensichtlicher die Veränderungs- und Transformationsnotwendigkeiten, der Druck zur Umgestaltung oder Neuerfindung des Geschäftsmodells, desto eher scheinen Eigentümerfamilien bereit zu sein, eine solche Aufgabe jemandem von außen anzuvertrauen. Einer Führungspersönlichkeit, die von außen kommt und entsprechende Veränderungserfolge bereits vorweisen kann.
Externe CEO-Nachfolge
- Das wahrgenommene Bedürfnis nach „Veränderung“ ist eines der stärksten Argumente für externe Ernennungen: Ein externer CEO kann eine neue Ära wesentlich prägnanter signalisieren. Eine starke Führungspersönlichkeit vom Markt kann Wissenstransfer, eine ganz neue Perspektive auf das Geschäft – oder auch ‚best practice‘-Erfahrungen aus anderen Top-Unternehmen einbringen. Und, was manchmal auch wichtig erscheint: eine emotional nicht vorgeprägte, externe Führungskraft kann u.U. besser geeignet sein, mit unverstelltem Blick als kraftvoller, effektiver „Change Agent“ zu agieren.
- Das häufigste Argument gegen externe Ernennungen hat mit der Risikobewertung zu tun. Das inhärente Risiko des Such- und Einstellungsprozesses, das Risiko, dass sich der neue CEO nicht an die spezifische FU-Kultur anpasst und das Risiko, im Laufe des Prozesses womöglich interne Kandidaten zu verlieren.
Von externen Managern geführte FU entwickeln sich besser als die von den Eigentümern selbst geführten
Untersuchungen von PwC zeigen, dass FU, die von externen Führungskräften geleitet werden, deutlich stärker gewachsen sind als solche, die von den Eigentümern selbst geführt werden. Während FU, die von externen Top-Managern geführt wurden, im Zeitraum von 2015 bis 2019 im Durchschnitt um 7,0 Prozent gewachsen sind, wuchsen die von Mitgliedern der Eigentümerfamilie geführten Unternehmen im Durchschnitt nur um 4,9 Prozent. (Diese Ergebnisse basieren auf einer Analyse der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der 100 größten, nicht börsennotierten FU weltweit.)
FU sind besser in der Lage, mit den Auswirkungen von COVID-19 umzugehen als öffentliche Unternehmen
COVID-19 hat eine Abkehr vom Stereotyp des CEO als ‚charismatischer, einsamer Entscheidungsträger‘ nochmals beschleunigt. Und die Pandemie hat auch das hohe Verantwortungsbewusstsein eher noch verstärkt, das viele FU traditionell ohnehin schon gegenüber ihren Mitarbeitern gezeigt haben. Die Studie zeigt deutlich, dass sich Eigentümerfamilien verpflichtet fühlen, sich um eigene Mitarbeiter und deren Familien zu kümmern.
Das vorherrschende Bild, wie ein moderner CEO agieren und kommunizieren sollte, ist gerade dabei sich schnell und nachhaltig zu verändern:
- Die Corona-Krise hat die Abkehr vom Stereotyp des supercharismatischen Alpha-Mannes beschleunigt. Fürsorge ist wichtiger geworden als Charisma – und Bescheidenheit ist zu einer wichtigen Eigenschaft im Profil einer überzeugenden Führungskraft geworden.
- Die Fähigkeit eines externen Managers, sich geschmeidig an die spezifische Kultur und Besonderheiten eines FU anzupassen, erscheint absolut erfolgskritisch. Diese Befähigung wird als mindestens so wertvoll angesehen, wie ein hohes Maß an unternehmerischer und sozialer Kompetenz. Das Potenzial, sich anzupassen und sich selbst kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung.
- Und in Zeiten großer Unsicherheit versuchen erfolgreiche CEOs und Eigentümer noch fürsorglicher und integrativer in ihrer Kommunikation zu erscheinen – und dabei das Gefühl einer „People First Culture“ zu vermitteln.
In Bezug auf externe Führungskräfte für FU ist eine Schlussfolgerung aus unserer Studie eindeutig: Führungskräfte mit „großem Talent und kleinem Ego“ sind besonders nachgefragt! Erfolgreiche, externe Führungskräfte in FU sollten die Fähigkeit nachweisen, ihr Ego im Griff zu behalten – und sich bei aller Erfolgsorientierung einordnen und, wenn erforderlich, zurücknehmen können.