Die zentrale Rolle der Eigentümerstrategie

Vorteile aktiver und verantwortungsbewusster Inhaberschaft

von Andreas von Specht und Nick Harris

Warum „gute Inhaberschaft“ elementar wichtig ist

Mehr als 80% aller global tätigen Familienunternehmen (FU), die insgesamt USD 1,6 Trillionen an Vermögenswerten repräsentieren, wollen in den kommenden zehn Jahren das Unternehmen an die nächste Eigentümergeneration übergeben. 60% aller Eigentümer von FU sind über 50 Jahre alt und ein Drittel davon plant, in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand zu gehen. Die Hälfte aller Eigentümer von FU geben an, dass das Unternehmen stark – oder sogar komplett – von ihrer Person abhängig ist und zwei Drittel der Eigentümer haben ihre eigene Nachfolge noch nicht organisiert. Wenn man zu diesen erstaunlichen Statistiken noch die Erkenntnis hinzufügt, dass nur 30% aller familiengeführten Unternehmen die zweite Generation überleben und nur ein kleiner Teil (3%) noch in der vierten Generation oder darüber hinaus besteht, wird deutlich, wie essenziell – neben Gründung, Aufbau und Erhaltung – die gelungene Übergabe für eine aktive und erfolgreiche Eigentümerschaft ist.

Nur 20% des nicht weitergeführten Familienbesitzes ist auf gut geplante und vorbereitete Desinvestitionen wie Management Buyouts zurückzuführen. Der Hauptgrund für gescheiterte Übergaben von Familienunternehmen sind ein Mangel an Vertrauen und Kommunikation zwischen den Familiengesellschaftern – oft begleitet von unterschwelligen oder sogar offen feindseligen Konflikten. Häufig ist die nächste Generation unzureichend darauf vorbereitet, als Gesellschafter Verantwortung zu übernehmen, von operationeller Verantwortung in einer Managementposition ganz abgesehen. Interessanterweise sind (Erbschafts-) Steuerthemen nicht unter den Hauptgründen für gescheiterte Übergaben. Wahrhaft große Unternehmer beweisen, dass sie sowohl ein Unternehmen aufbauen, als auch seine Übergabe an die nächste Generation sicherstellen können. Beides impliziert gründliche und sorgfältige Planung, aber das Zweite ist auch verbunden mit der Fähigkeit „loszulassen“.

Die Nachfolge zu regeln und Kontrolle zu übergeben ist natürlich nicht die einzige herausfordernde Situation, vor der Eigentümer stehen. Vielmehr sehen sie sich häufig mit einer Vielzahl weiterer anspruchsvoller Familiensituationen konfrontiert – der Cousin, der Geld braucht und seine Anteile verkaufen möchte, der Bruder, der seinen Sohn in eine leitende Führungsposition befördert sehen möchte, oder die Schwester, die sich plötzlich wünscht, im Aufsichtsrat von ihrem Anwalt vertreten zu werden. Aus Sicht des Inhabers können einige dieser Herausforderungen auch die Möglichkeit bergen, eine gewünschte Veränderung oder Optimierung herbeizuführen. Meistens werden sie aber nur als eine unwillkommene Störung und potentielle Gefahr wahrgenommen.

Wenn mit diesen Situationen sorgfältig, vorsichtig und emotional intelligent umgegangen wird, können die Eigentümer eines FU die Vorteile voll nutzen, die das FU im Vergleich zu anderen Unternehmen bietet, bspw. langfristige Orientierung, starke Werte etc. Wenn solche Situationen aber ignoriert oder mangelhaft gelöst werden, kann sowohl das Unternehmen als auch die Familie stark darunter leiden. Gefühle, Geld und Kontrolle sind die Zutaten eines potentiell zerstörerischen Cocktails.

Nachfolgemanagement als erfolgskritisches Moment guter Inhaberschaft

Mit Eigentum gehen sowohl Privilegien als auch Verantwortung einher. Unternehmer müssen über bestimmte Fähigkeiten verfügen, um ein FU durch herausfordernde Zeiten zu manövrieren. Mut, Entscheidungsfreude, ein strategischer Überblick und – ganz wichtig – eine Kombination aus IQ und EQ sind unverzichtbar. Natürlich schaden auch funktionelle Managementfähigkeiten und Marktkenntnisse nicht. Zu guter Letzt muss nicht nur eine kommerzielle Organisation geleitet werden sondern auch eine Familie, die eng mit dem Geschäft verflochten ist. Das kann signifikant zur Komplexität beitragen. In unserem Interview mit Andreas Jacobs (dritter Beitrag dieser Ausgabe des The Trusted Advisor) spricht dieser über die „dreidimensionale“ Führung einer Familie: Horizontal, als ein Balanceakt zwischen den Geschwistern, vertikal zwischen den Generationen und dem heute und morgen. Hinzu kommt noch die Rolle des Familienchefs, die die Voraussicht und Unabhängigkeit erfordert, um zu wissen, wann es loszulassen – und an wen es die Fackel zu übergeben gilt.

Nachfolge als solche umfasst zwei verschiedene Ebenen, die klar voneinander getrennt werden sollten: Die Nachfolge der Eigentümerschaft und die Nachfolge des Managements. Beide Fragen, d.h. wer ist berechtigt zu besitzen und wer, das Geschäft zu führen, stehen im Mittelpunkt der Entwicklung einer Familienstrategie – die Corporate Governance der Familie, die benötigt wird, um guter Eigentümerschaft eine professionelle Struktur zu geben.

Die Hauptelemente einer Eigentümerstrategie

Weltweit haben weniger als 30% aller FU bereits eine spezifische Familiencharta oder -verfassung erarbeitet, in welche die Familienstrategie letztendlich mündet. Allerdings ist nicht das endgültige Dokument das entscheidende. Viel wichtiger ist der Diskussionsprozess, der auf dem Weg dorthin geführt wird. Eigentümerfamilien verstehen zunehmend die Bedeutung eines solchen Prozesses, der normalerweise von einem externen Vermittler moderiert wird. Sie wünschen sich eine Stärkung der Familienidentität und des Familienerbes, eine Verstätigung der Harmonie und eine Sicherung der Stabilität innerhalb der Familie. Anders als ein Gesellschaftervertrag ist eine Familiencharta kein rechtlich bindendes Dokument, aber es definiert und stärkt die DNA einer Familie und ihres Unternehmens. Es wird somit zu einem für die Eigentümerfamilie moralisch bindenden Dokument und wird mit der Zeit elementar wichtig für den Erfolg. Unserer Erfahrung nach respektieren Familien mit einer solchen Charta ihre eigenen Regeln und Governance-Strukturen deutlich mehr. In der Konsequenz bedeutet das dann meist eine bessere Führung sowie effektivere gegenseitige Kontrolle.

Während der Workshops mit Unternehmerfamilien versuchen wir weitreichende Fragen zu stellen wie: „Wem gehört Ihr Unternehmen – und wer genau gilt als Familienangehöriger?“, „Was passiert bei Konflikten?“ und „Können Familiengesellschafter ihre Anteile verkaufen – und wenn ja, an wen?“ Und dann gibt es natürlich zahlreiche wichtige Fragen rund um die verschiedenen Rollen in Familienunternehmen, insbesondere wenn es um die Führung geht: „Wer entscheidet – und wie – wer berechtigt ist, das Familienunternehmen zu führen?“ „Können Familienmitglieder sich um Führungspositionen bewerben wenn sie bestimmte Qualifikationen erfüllen, und gibt es vielleicht sogar bestimmte Rollen, die diesen vorbehalten sind?“ „Ist es überhaupt gewünscht, dass die nächste Generation in eine operative Funktion hineinwächst, oder sollte sie völlig aus der geschäftsführenden Tätigkeit heraus gehalten werden?“

Dies sind fundamental wichtige Fragen, die oftmals einen wohlüberlegten Denkprozess und intensive Diskussionen unter den Familiengesellschaftern erfordern, bevor man zu einer zufriedenstellenden Lösung kommt. Sie berühren alle Aspekte der Eigentümerschaft, inklusive der Vermögensverwaltung, der Erbschaft, der rechtlichen Struktur des Unternehmens, der Ausschüttungspolitik und der Einsetzung eines Aufsichtsrates.

Der besondere „Spirit” in Familienunternehmen und gute Aufsicht

In gut und erfolgreich geführten Familienunternehmen findet man etwas, das wir als „Family Business Spirit“ bezeichnen: Die Unternehmenskultur wird stark von der Eigentümerfamilie beeinflusst und bestimmt von einem Mix aus moralischen Überzeugungen, starken Werten und einem Modus Operandi (inklusive klar definierter „Do’s and Don’ts“), die sowohl die Eigentümer als auch das Management unterschreiben. Dies beinhaltet oft eine langfristige Orientierung, flache Hierarchien, schnelle Entscheidungsfindung und bspw. Loyalität von Mitarbeitern. Ein Familienunternehmen kann diese positiven Aspekte in einen enormen Wettbewerbsvorteil verwandeln.

Die Familiencharta beinhaltet Leitlinien für eine gute Family Governance. Dies kann als disziplinarischer Rahmen für die Eigentümerfamilie selbst funktionieren – wird aber auch von anderen Stakeholdern außerhalb der Familie sorgfältig beobachtet. Diese Thematik wird in unserem zweiten Artikel dieser Ausgabe („Leitlinien für erfolgreiche Inhaberschaft“) des The Trusted Advisor von Dr. Christian Bühring-Uhle beleuchtet.