Die schwierige Generationennachfolge

Unternehmerische Herausforderungen bei Übergabe des Staffelstabs

von Felix B. Waldeier

Auch in diesem Jahr suchen wieder über 20.000 Familienunternehmen in Deutschland einen Nachfolger. Naturgemäß soll der Nachfolger am liebsten aus eigenem Nachwuchs entstammen, wobei das bekanntermaßen nicht immer möglich ist – oder in manchen Fällen eben auch eindrucksvoll schief geht. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) schaffen es im Schnitt lediglich 10-15% der dort erfassten Unternehmen in die dritte Generation. Und diese Erfahrungswerte drohen angesichts des demographischen Wandels keinesfalls besser zu werden. Entsprechend gibt es zahlreiche Familienunternehmer, die mangels eigenen Nachwuchses für die Nachfolge nach Fremdmanagern suchen – oder am Ende ihr Unternehmen sogar verkaufen müssen.Von den demographischen Aspekten des Problems einmal abgesehen, sind aber häufig auch schwere innerfamiliäre Konflikte Ursache für gescheiterte – oder gar nicht erst zustande kommende – Unternehmensnachfolgen. In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich übertrieben von einer generellen Tabuisierung dieses Themas zu sprechen. Aber in der Regel wird in Deutschland lieber das hingebungsvolle Loblied auf die Familienunternehmen gesungen, die mit großen Vorteilen wie Schnelligkeit, Entscheidungsfreude und Anpassungsfähigkeit als kleine, innovative, kostenbewusste und wendige Spieler in den Weltmärkten reüssieren. Und selbstverständlich erwachsen gerade aus diesen mittelstandsspezifischen Vorteilen und besonderen Tugenden tatsächlich auch große Wettbewerbsvorteile – und nicht selten herausragende Weltmarktführer.

Wahr ist aber leider auch, dass sich diese Vorteile ins drastische Gegenteil verkehren können, wenn es den Patriarchen an eigener Kalibrierung und Selbstreflexion fehlt, sie selbst nicht loslassen können – oder sich Stammesfürsten bei Anwälten die Klinke in die Hand, sich aber nicht mehr die eigene geben mögen. Wer der Meinung ist, dass die monatlich in verschiedensten Wirtschaftsmagazinen genüsslich ausgewalzten Probleme bei großen Familienunternehmen wie Oetker, Schlecker, Merckle oder Oppenheim zwar spannende, ggf. unrühmliche, aber eben auch extreme Ausnahmen seien, der irrt nach unserer Erfahrung leider. Sie sind vielleicht die Spitze des Eisbergs, aber weniger spektakuläre Probleme bei weniger großen oder prominenten Familienunternehmen existieren en masse. Und sicherlich gibt es auch eine ganze Reihe von Familienfehden, die bisher (auch durch Glück) von den Nachforschungen der Journalisten verschont geblieben sind. Nicht wenige dieser Konflikte haben sehr direkt mit Nachfolgethemen zu tun.

Doch wo genau liegen die Ursachen für ebendiese Probleme rund um Unternehmensnachfolgen? In vielen Fällen hat die nachfolgende Generation schlicht andere Zukunftspläne für sich oder die Firma als ihre Eltern. In anderen Fällen wiederum bringen potenzielle Nachfolger (scheinbar oder tatsächlich) nicht ausreichend unternehmerische Qualifikationen mit, um die Unternehmensnachfolge anzutreten. Und immer noch viel zu häufig wird die Übergabe als ein wesentlicher Teil der Unternehmerleistung verzögert, verpasst oder gar zurückgenommen. In unserer Beratungstätigkeit haben wir bereits menschlich-tragische Auseinandersetzungen in Familienunternehmen miterlebt, bei denen bspw. der Senior mit 78 Jahren unerwartet zurückkam, nachdem er bereits acht Jahre zuvor das Unternehmen (nicht aber die Mehrheit der Anteile) vor hunderten Gästen mit einem symbolischen Schlüssel und feuchten Augen dem auch nicht mehr so jungen Sohn übergeben hatte. Zwischenzeitlich hatte er dann wohl festgestellt, dass es auch in der Toskana irgendwann einmal langweilig werden kann – und es der Sohn alleine und ohne seine Mithilfe vermutlich nicht schaffen würde. Nicht selten zermürben stark emotional geprägte Machtkämpfe um Nachfolgen, Anteile oder Einflussnahme zwischen oder innerhalb von Generationen und Familienstämmen die Beteiligten. Dies kann schnell zu nicht mehr zu kittenden Zerwürfnissen der Gesellschafter untereinander führen, im schlimmsten Fall sogar zum Zerbrechen des Unternehmens.

Was ist Familienunternehmern zu raten? Auch wenn Empfehlungen natürlich immer den individuellen Kontext des Unternehmens berücksichtigen müssen, so kann sicherlich festgehalten werden: Eine erfolgreiche Nachfolge muss mit ausreichendem Vorlauf geplant und mit allen Beteiligten umfassend vorbereitet werden. Die meisten Nachfolgesituationen kommen rein biologisch bedingt aus Altersgründen zustande – und sind damit eigentlich vorhersehbar. Manchmal schlägt jedoch auch das Schicksal zu und eine Nachfolge muss sehr kurzfristig, bspw. aus Krankheitsgründen organisiert werden. Gerade aber diese entsprechenden Notfallpläne hat die Mehrheit der betroffenen Unternehmen und Familien leider nicht in der Schublade liegen. Und gibt es in solchen Fällen dann auch keinen Beirat, der bereits Verantwortung trägt oder zumindest kurzfristig „scharfgeschaltet“ werden kann, sind viele Familien mit der Situation überfordert.

Gelungene Übergaben werden oft acht bis zehn Jahre oder mehr im Voraus geplant, denn idealerweise sollten Senior und Nachfolger das Unternehmen ja sogar noch mehrere Jahre gemeinsam führen. Im Idealfall gibt es einen gut durchdachten, strukturierten und objektivierten Entscheidungsprozess, der zu einer geregelten Nachfolgelösung aus Sicht aller Beteiligten führt. Sollte es familieninterne Optionen für die Nachfolge geben, so muss mit diesen Kandidaten in der Entwicklung sehr sorgsam umgegangen werden. Den Grundstein legt bereits die Ausbildungsentscheidung, die Fortsetzung erfolgt anschließend in der Berufserfahrung. Bei mehreren Kandidaten aus unterschiedlichen Familien-/Gesellschafterstämmen sollte natürlich am Ende möglichst der oder die Beste gewinnen – und nicht die „Dicke des Bluts“ ausschlaggebend sein. Die Frage, ob und welcher Kandidat in einer Familie am besten geeignet ist das Unternehmen zu führen oder auch als aktiver Gesellschafter zu begleiten, ist eine der schwierigsten überhaupt. Auch hieran sind bereits viele Familien zerbrochen. Offensichtliche Nicht-Eignung oder offensichtlich herausragende Eignung sind dabei noch relativ leicht zu beurteilen – selbst für Väter. Äußerst schwierig aber wird es, wenn zwischen „noch geeignet“ und „knapp nicht geeignet“ unterschieden werden muss. Auch Nachfolger können zwar in größere Funktionen hineinwachsen und sich entwickeln, aber „Unternehmer-Gene“ werden leider selten vererbt und kommen auch bei größerer Gestaltungsfreiheit nicht plötzlich zum Vorschein. Ein externer Moderator – ob Beiratsvorsitzender oder auch unabhängiger Berater – kann bei solchen Entscheidungen wichtige Unterstützungsarbeit leisten, für eine gewisse Objektivität sorgen und versuchen, sich andeutende Familienkonflikte zu moderieren bzw. aufzulösen.

Neben Überlegungen zu Absicherung und Vorsorge, sollten auch finanzielle und rechtliche Aspekte einer Nachfolge nicht vernachlässigt werden. Ein potenzieller Nachfolger muss unter Umständen, abhängig von der aktuellen Unternehmensbewertung, mit erheblichen Transaktionskosten (Steuern, Kosten für (juristische) Beratung etc.) rechnen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, frühzeitig eine langfristige Familienstrategie zu erarbeiten, welche Interessen von Familie und Gesellschafterverantwortung in Einklang bringt und einen Rahmen bildet, um das Unternehmen erfolgreich in die nächsten Generationen zu überführen. Niedergeschrieben in einer Familien- und Unternehmensverfassung können dann u.a. Unternehmenswerte und -ziele, aber auch Voraussetzungen für einen Nachfolger festgelegt werden.

Am Ende bleibt der schwierige Prozess der Generationennachfolge eine der zentralen Herausforderungen, die der Unternehmer als persönliche Aufgabe mit hoher Priorität ansehen sollte. Der rechtzeitige Anstoß des Prozesses, das umfassende Involvieren aller Beteiligten, eine offene Kommunikation sowie die Inanspruchnahme externer Unterstützung und Beratung kann eine erfolgreiche Generationennachfolge sehr positiv beeinflussen.