Good Governance – die Bedeutung des Beirats

Was unterscheidet den gut funktionierenden Beirat vom Mittelmaß?

von Dr. Christian Bühring-Uhle

Ein Unternehmen kann auf Dauer nicht erfolgreich sein, wenn es nicht beständig in der Lage ist, Top-Führungstalente an sich zu binden. Ein wichtiger Faktor dafür ist die Qualität der Governance-Strukturen und -Prozesse innerhalb des Unternehmens. Eine durchdachte und gut funktionierende Unternehmensverfassung ist nicht nur ein wichtiges Instrument für die Verwirklichung der Interessen und des Willens der Inhaber, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die Gewinnung und Haltung fähiger Führungskräfte. Dies gilt nicht nur für externe Führungskräfte: Auch Familienmitglieder, die die grundsätzliche Bereitschaft und das Talent haben, ein Familienunternehmen erfolgreich zu führen, könnten sich nach Alternativen umsehen und müssen erst einmal für das Unternehmen gewonnen werden.In unserer Beratungspraxis für Inhaber privat gehaltener Unternehmen werden wir oft gefragt, wie man „Good Governance“ sicherstellen kann. Der Schlüssel zum Erfolg ist letztendlich ein gut funktionierender Beirat, wobei dies in bestimmten Konstellationen durchaus auch ein Beirat mit lediglich beratender Funktion sein kann.

Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, benötigt ein Beirat zunächst ein klares Verständnis seiner eigenen Funktion. Primär muss sichergestellt werden, dass die Inhaberrolle und die damit verbundenen Rechte und Pflichten so ausgeübt werden, dass die Interessen des oder der Inhaber, aber auch die der übrigen Stakeholder, angemessen wahrgenommen werden. Zudem müssen eine gute Unternehmensführung gewährleistet und grundlegende Entscheidungen sachgerecht und rechtzeitig getroffen werden. Ein kompetenter und gut funktionierender Beirat ist aber auch eine wichtige Ressource für das Management. Die besten CEOs schätzen – und suchen auch aktiv – den Rat und das ehrliche Feedback von unabhängig denkenden, erfahrenen Beiräten. Im besten Fall ist insbesondere der Beiratsvorsitzende ein wertvoller Sparringspartner für die operative Führung. Eine andere wichtige Funktion, insbesondere für den Beiratsvorsitzenden, kann die Vermittlung zwischen Inhabern und Management oder auch zwischen den Gesellschaftern sein. Dies kann informell und unauffällig erfolgen, entwickelt sich manchmal aber auch zu einem regelrechten Schlichtungsverfahren.

Einen klaren Fokus zu haben ist ein anderes wichtiges Kennzeichen eines gut funktionierenden Beirats. Erfahrene Beiräte richten unter der Führung eines fähigen Vorsitzenden ihren Blick auf den langfristigen Erfolg und die Beständigkeit des Geschäfts. Sie betonen Strategie statt Taktik und vermögen die wirklich relevanten Themen in den Blickpunkt zu rücken. Die besten Aufsichtsgremien verbringen mindestens zwei Drittel ihrer Zeit mit Zukunftsfragen, statt die Vergangenheit zu sezieren und abgeschlossene Vorgänge zu hinterfragen oder, schlimmer noch, sich Quartalsberichte und Selbstdarstellungen des Managements anzuhören. Das Talentmanagement ist dabei einer der zentralen Themenbereiche. Ein effektiver Beirat muss sicherstellen, dass die operative Führung in den Händen der denkbar besten Führungstalente liegt. Das heißt: Exzellente Mitarbeiter zu finden, zu interessieren, einzustellen, zu integrieren, zu überwachen, aber auch zu unterstützen, zu fordern und zu fördern. Und das beinhaltet auch, sie angemessen zu bezahlen, sie ans Unternehmen zu binden und, wenn erforderlich, sie (rechtzeitig) zu ersetzen.

Ein gut funktionierender und gut geführter Beirat wird auch die typischen Probleme meistern, die sich ergeben können. Beiräte sind manchmal recht unterschiedlich zusammengesetzt, und Diskrepanzen in Erfahrung, Expertise, Einstellungen, Sichtweisen und Interessen können erhebliche Spannungen erzeugen. Dabei stellt Diversität grundsätzlich eine Chance dar und ist bei der Zusammenstellung eines Beirats ein wichtiges Ziel. Aber ein produktives Zusammenwirken entsteht nicht von selbst, sondern erfordert viel Offenheit, guten Willen, Disziplin und ein gewisses Maß an Erfahrung und Bereitschaft zur Kooperation. Hier hängt viel von der Erfahrung und Fähigkeit des Beiratsvorsitzenden ab, in kurzer Zeit Themen angemessen zu durchdringen und zu bewältigen, statt diese mechanisch abzuarbeiten. Es muss Platz geschaffen werden für ernsthafte und konstruktive Auseinandersetzungen.

Es gibt eine Reihe von einfachen methodischen Faustregeln. Ein gut funktionierender Beirat…

  • … arbeitet auf Basis einer gut durchdachten Tagesordnung mit relevanten Themen und vernünftiger Zeiteinteilung. Die Tagesordnung muss frühzeitig versandt und auch mit der Aufforderung an die Teilnehmer verbunden werden, Änderungswünsche rechtzeitig vor der Sitzung anzumelden.
  • … plant hinreichend Pausen ein und hält sich daran, so dass während der Sitzung alle Teilnehmer wirklich „präsent“ sind und niemand von Smartphones etc. abgelenkt ist.
  • … macht seine „Hausaufgaben“, d.h. verteilt und liest die Unterlagen, so dass Sitzungszeit nicht aufgrund der Präsentation von Informationen verlorengeht sondern für die Diskussion von Fragen, Einwänden, Vorschlägen etc. genutzt wird.
  • … pflegt eine Atmosphäre des offenen, reflektierten und konstruktiven Austauschs.
  • … produziert brauchbare Protokolle, in denen nur die Ergebnisse und Entscheidungen samt der wesentlichen Gründe festgehalten werden, statt langwieriger Mitschnitte des Gesprächsverlaufs zu dokumentieren. Die Protokolle werden binnen weniger Tage verteilt, so dass Entscheidungen umgesetzt und etwaige Kommentare der Teilnehmer unverzüglich vorgebracht und abgehandelt werden können.
  • … unterzieht sich einer regelmäßigen Evaluation seiner Arbeit, sei es in einer Selbstevaluation durch die Mitglieder, oder – besser noch – mithilfe von kompetenten externen Experten, die die Arbeit der Beiräte individuell und kollektiv unter die Lupe nehmen und dem Beirat eine vertrauliche, fundierte und konstruktive Diskussion über Verbesserungspotenziale ermöglichen.

Der Wert, den ein Beirat für das Unternehmen generieren kann, hängt stark von seiner Zusammensetzung ab. Beiratsarbeit kann anregend und erfüllend sein, ist vor allem aber eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe. Die Mitglieder müssen individuell dafür geeignet, aber auch als Gruppe in der Lage sein, ihr Potenzial zum Wohle des Unternehmens, seiner Inhaber und der übrigen Stakeholder einzusetzen. Dabei sollte die Auswahl der Mitglieder anhand mehrerer Dimensionen erfolgen:

  • Relevante Erfahrung: Diese kann sowohl funktional, branchenspezifisch oder auch generell durch Führungserfahrung geprägt sein.
  • Analytische Fähigkeiten: Beiratsmitglieder müssen eine große Menge komplexer und teils widersprüchlicher Informationen/Sachverhalte in begrenzter Zeit durchdringen.
  • Urteilsvermögen: Das Treffen sachgerechter Entscheidungen auf begrenzter Faktenbasis und die Vermeidung einer „analysis paralysis“
  • Motivation (und Zeit): Der Wunsch etwas zu verändern und einen Mehrwert zu schaffen – und sich nicht nur mit dem Titel zu schmücken oder einem befreundeten Unternehmensinhaber einen Gefallen zu tun
  • Integrität: Vor allem müssen die Beiratsmitglieder ein Höchstmaß an Ehrlichkeit, Integrität und Unabhängigkeit mitbringen und in der Lage sein, im Team zu arbeiten. Dazu gehört die Fähigkeit, zuzuhören, abweichende Standpunkte wertzuschätzen und dem Gruppenerfolg eine größere Bedeutung beizumessen als dem Ernten eigener Lorbeeren.

Die Zusammensetzung des Beirats ist von großer Bedeutung – es reicht nicht aus, individuell gute Musiker zu finden, sondern diese müssen auch als Orchester gut zusammenspielen. Viele Unternehmer wünschen sich bekannte Namen in ihrem Beirat, aber wenn große Egos, fest verwurzelte Einstellungen und starkes Geltungsbedürfnis aufeinandertreffen, ist das Ganze manchmal weniger wert, als die Summe seiner Teile. All die Energie erzeugt dann mehr Hitze als Vortrieb, und auf das Management wirkt das Schauspiel eher abschreckend, als inspirierend. Wirklich effektive Beiratsarbeit erfordert daher ein gewisses Maß an Demut. Man muss bereit sein Zeit zu opfern, Aufmerksamkeit zu schenken und Energie aufzubringen. Man muss seine Hausaufgaben machen und sich in seinen Beiträgen darauf fokussieren, die Arbeit der Gruppe voranzubringen – und nicht seine vorgefassten Meinungen und seine eigene Bedeutung bestätigt zu finden. Je unterschiedlicher die Gruppe ist, desto größer ist die Herausforderung, konstruktiv zusammen zu arbeiten. Wenn es jedoch gelingt, sind die Vorteile beachtlich, da durch das Einbringen vielfältiger Gesichtspunkte den Entscheidungen eine breite Grundlage verliehen wird. Leider gibt es immer noch viel zu viele homogene Aufsichtsgremien ohne Vielfalt hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Alter und Erfahrungshintergrund.

Die Rolle des Beiratsvorsitzenden ähnelt in gewissem Maße der eines Dirigenten, der das Potenzial seiner Musiker zur Geltung bringt und aus ihnen ein Orchester bildet. Wenn diese Rolle richtig wahrgenommen wird, entsteht im Beirat eine Kultur der Offenheit, Ernsthaftigkeit und Professionalität, geprägt von gegenseitigem Respekt, Menschlichkeit, Demut und Disziplin (das heißt selbstverständlich nicht, dass nicht auch gelacht und gelegentlich auch gefeiert werden kann). Ein guter Beiratsvorsitzender wirkt als Sparringspartner für die Führungsmannschaft auch in das Unternehmen hinein und dient als Integrationsfigur, die die Identität und die Werte des Unternehmens und seiner Inhaber verkörpert.

Besonders wichtig wird die Rolle des Beirats und des Vorsitzenden in Krisenmomenten, in denen eine sowohl unverzügliche als auch besonnene Reaktion sichergestellt werden muss. In solch einer Situation muss die operative Führung der Herausforderung gewachsen sein und die Rückendeckung und Unterstützung des Beirats erfahren. In Extremfällen kann es erforderlich sein, das Management auszutauschen. Hier sind ein gutes Governance-System und insbesondere ein gut funktionierender Beirat der Garant dafür, dass dies rechtzeitig und geordnet, auf Basis eines vorher entwickelten Notfallplans, und vor allem auch in größter Fairness geschieht.