Der Erfolgsfaktor Fremdmanager

Externe Besetzung von Führungspositionen in Familienunternehmen

von Andreas von Specht

1. Herausforderungen bei der Rekrutierung

Nur weniger als die Hälfte der Familienunternehmen erscheint in der Lage, ihre Führung aus den eigenen Reihen der Familie zu besetzen. Vielen Eigentümerfamilien geht schlicht der Nachwuchs aus. Aber selbst wenn es Kinder oder Enkelkinder gibt, heißt dies noch lange nicht, dass Eignung, Qualifikation und Wille vorhanden sind, um eine familieninterne Nachfolge anzutreten.

Wenn sich absehen lässt, dass eine familieninterne Nachbesetzung längerfristig nicht zu organisieren ist, erscheint der Verkauf des gesamten Unternehmens zwar für manche Eigner zumindest eine denkbare Option zu sein. Aber auch wenn die Bereitschaft, das vom eigenen Großvater gegründete Unternehmen eines Tages zu verkaufen, bei manchen größer geworden ist, stellt diese Option für viele Familien weiter keine gewünschte Zukunftslösung dar. Wenn eine familieninterne Nachfolge im Unternehmen nicht möglich erscheint oder der Zeitpunkt bis zum Eintritt der eigenen Kinder über mehrere Jahre überbrückt werden muss, kommt zwangsläufig die Option ‚Fremdmanagement‘ ins Spiel.

Immer mehr Familiengesellschaften entscheiden sich dazu, familienfremde Führungskräfte für die operative Leitung ihrer Unternehmen anzuheuern. Schätzungen zufolge werden nur noch gut 40% der Familienunternehmen in Deutschland ihre oberste Führungsetage allein mit Eigengewächsen besetzen können. Um eine langfristig erfolgreiche Besetzung zu meistern, kommt zunächst dem Rekrutierungsprozess von Fremdmanagern eine große Bedeutung zu. In vielen Familienunternehmen besteht nach wie vor Unsicherheit darüber, wie ein solcher Prozess professionell überhaupt organisiert werden soll, um Personalentscheidungen „aus dem Bauch heraus“ zu vermeiden.

Fehlbesetzungen von wichtigen Führungsfunktionen mit externen Managern sind leider häufig und sehr teuer. Sie können außerdem zu einem Imageschaden gegenüber Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern – im Extremfall sogar zu einer existenziellen Bedrohung des eigenen Unternehmens führen. Neben vielen anderen Kriterien erscheint vor allem die ‚Mittelstandsbefähigung‘ und noch spezifischer, die Vorerfahrung in anderen Familienunternehmen ein relevantes Auswahlkriterium zu sein. Wir haben in unserer Beratungspraxis zahlreiche Fremdmanager erlebt, die die Werte und Zielvorstellungen der Eigentümerfamilie ihres Unternehmens offenbar nicht wirklich verstanden hatten – und sich diesen entsprechend auch nicht unterordnen konnten.

Zur sorgfältigen Vorbereitung der Rekrutierung eines Fremdmanagers, muss sich der Gesellschafterkreis zunächst Klarheit über die Aufgaben, Kompetenzverteilung und Verantwortlichkeiten der obersten Leitungsfunktion verschaffen. Man wird schwerlich einen erstklassigen, unternehmerisch agierenden Fremdmanager für das Unternehmen gewinnen können, wenn man nicht auch bereit ist, entsprechend großzügig angelegte Gestaltungsspielräume und Entscheidungskompetenzen zu schaffen. Zur Definition eines professionellen Anforderungsprofils gehört selbstverständlich auch die Frage, welche „kritischen Kompetenzen“ ein solcher Fremdmanager mitbringen muss. Hier geht es nicht allein um langjährige Erfahrung, sondern um die Ausprägung von bestimmten Kompetenzfeldern, also beispielweise die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, Veränderungen in das Unternehmen einzubringen oder „gelebte Kundenorientierung“ auf die Vertriebsmannschaft zu übertragen. Um sich auf dieses Kompetenzbild einigen zu können, muss die Familie sich naturgemäß auch darüber im Klaren sein, was in den nächsten Jahren konkret vom Fremdmanager erwartet wird und woran der Erfolg seiner Tätigkeit gemessen werden soll.

2. Erfolgsfaktoren für Fremdmanager in Familienunternehmen

Die erfolgreiche „Passform“ vieler Fremdmanager in Familienunternehmen entscheidet sich häufig nach nur wenigen Monaten. Es gibt eine große Anzahl an Familienunternehmen, die insbesondere mit der ersten Einstellung von Fremdmanagern in ihre Geschäftsführung unzufrieden waren. In vielen Fällen stellte sich heraus, dass sich Familie und/oder Fremdmanager nicht ausreichend intensiv mit dem neuen Unternehmen bzw. der einzustellenden Person auseinandergesetzt hatten. Auch kommen bei Familienunternehmen besondere Störgefühle und Sensitivitäten hinzu, die in dieser Form nicht gleich zu einem Konflikt bei Großunternehmen führen würden. Also beispielsweise die Wahl der „falschen“ Dienstwagenmarke, als zu aufwendig empfundene Büroausstattung oder eine „überzogene Selbstdarstellung“ in der Öffentlichkeit. Sehr viele Familienunternehmen erwarten zudem, dass der Fremdmanager mit der Familie kurzfristig an den Standort zieht. Auch hier kann sehr schnell Sand ins Getriebe kommen. Neben einem guten Integrationsprozess kommt vor allem einem engen, persönlichen Kontakt und einer kontinuierlichen, möglichst vertrauensvollen Kommunikation eine sehr große Bedeutung zu. Studien zufolge sind weniger fachliche Defizite der Grund für das Scheitern von Fremdmanagern als vor allem Konflikte zwischen Familie/Familienmitgliedern und Fremdmanager – und diese Konflikte entstehen in der Regel am Anfang und deutlich seltener nach 15 Jahren.

Ein weiterer, wesentlicher Erfolgsfaktor versteckt sich hinter der Frage einer erfolgreichen ‚Governance‘. Eine sorgfältige Definition und Organisation der Inhaberfunktion, beispielsweise unterstützt durch einen kompetenten Beirat mit klar definierten Kompetenzen, bildet den notwendigen Rahmen, innerhalb dessen ein angestellter Unternehmensführer erfolgreich wirken – aber auch geführt werden kann. Gerade beim Übergang von einem Inhabergeführten zum fremdgeführten Unternehmen kommt es häufig zu Reibungen, wenn die Inhaberseite nicht klar ‚sortiert‘ und die Kompetenzen von Management einerseits und Inhaberseite andererseits nicht sorgfältig abgegrenzt sind. Familienfremde Beiratsmitglieder, insbesondere aber der Beiratsvorsitzende spielen dabei häufig eine Schlüsselrolle, da sie als ‚Brückenbauer‘ des gegenseitigen Verständnisses von Familie und Management wirken können.

Welche Rolle Fremdmanager in Familienunternehmen spielen, hängt nicht zuletzt von ihrer persönlichen Bindung zur Unternehmerfamilie und deren Einflussnahme auf das Geschäft ab. Im Übrigen scheint es einige ungeschriebene Regeln zu geben, die den Erfolg von Fremdmanagern in Familienunternehmen deutlich beeinflussen. Also zum Beispiel der Rat, gesellschaftlich eine gewisse Distanz zur Eigentümerfamilie zu wahren und nicht die gleiche Mitgliedschaft in Clubs oder Vereinigungen wie Familienmitglieder anzustreben. Oder auch das Gebot, Gesellschafter unterschiedlicher Stämme möglichst gleich zu behandeln, um am Ende nicht zwischen die Stühle zu geraten. Ganz wesentlich ist auch die Frage, wie und in welchem Umfang der Fremdmanager die Familie über relevante Vorgänge informiert.

3. Die langfristige Bindung von Fremdmanagern an Familienunternehmen

Materielle Anreizsysteme für familienfremde Firmenchefs konzentrieren sich häufig auf Erfolgsprämien, bei denen dann überwiegend quantitative Bezugsgrößen als Bemessungsgrundlage verwendet werden. Immer noch anzutreffen ist auch der Bonus „nach Gutsherrenart“, obwohl es auch bei der Gestaltung der Anreizsysteme inzwischen eine Professionalisierung in Familienunternehmen gegeben hat. Bei der Lösung der familienfremden Nachfolge taucht selbstverständlich auch die Herausforderung auf, herausragende Fremdmanager für den langfristigen Verbleib und für langfristig ausgerichtetes Handeln zu motivieren.

Wir haben in unserer Beratungspraxis Fälle erlebt, wo Kapitalbeteiligungen als Element des Entlohnungspakets für Fremdmanager von Familienunternehmen erwogen – und dann tatsächlich auch umgesetzt wurden. Dabei gibt es einige große Hindernisse zu überwinden – insbesondere auch die psychologische Barriere vieler Familien, überhaupt jemals einen Fremdmanager in den Gesellschafterkreis aufzunehmen und ihm entsprechende Rechte zuzugestehen. Die Ausgestaltung einer Beteiligung ist schwierig: So muss die Austarierung der Beteiligungsverhältnisse berücksichtigt werden, die tatsächliche Anteilsbewertung nachvollziehbar und fair erfolgen und letztlich dann die Übertragung von Kapitalanteilen in ihren Details (z.B. Vererbbarkeit der Anteile bzw. Rückübertragung der Anteile bei Ausscheiden) geregelt werden. Wir haben kürzlich ein Familienunternehmen beraten, bei dem sich diese Herausforderungen alle als lösbar und überwindbar herausstellten, nachdem die Familie zunächst die schwierige Grundsatzentscheidung getroffen hatte, Kapitalanteile an einen Fremdmanager abzugeben. Diese Grundsatzentscheidung führte dann schon einmal dazu, dass völlig andere ‚Kaliber‘ von Kandidaten für den Vorsitz der Geschäftsführung gewonnen werden konnten. Fremdmanager, die vorher mit ziemlicher Sicherheit in Bezug auf Unternehmensgröße und Gehaltssysteme abgewunken hätten, waren plötzlich mit einer langfristigen Perspektive der echten, unternehmerischen Beteiligung interessierbar.

Es gibt unbestreitbare Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Kapitalbeteiligung eines Fremdmanagers und auch die mit der Implementierung verbundenen administrativen Aufwände und Kosten sind nicht unerheblich. Dies sollte aber nicht dazu führen, diese Option vorzeitig auszuschlagen, da umgekehrt auch enorme Chancen bestehen, echte Unternehmer für die langfristige Entwicklung des Unternehmens gewinnen zu können.

Wenn es Familienunternehmen gelingt, herausragend qualifizierte und unternehmerisch geprägte Fremdmanager in ihre Unternehmen zu integrieren, können diese das entscheidende Rädchen im Uhrwerk des unternehmerischen Erfolgs sein.