Den Wertbeitrag von Aufsichtsgremien steigern

Wie Aufsichts-/Beiräte durch vertrauliche – und gesichtswahrende – Evaluationsprozesse ihr Potential realisieren können

Die Einrichtung eines Aufsichtsgremiums (Aufsichtsrat, Beirat, Verwaltungsrat; im folgenden: Board) ist, soweit nicht bereits gesetzlich vorgeschrieben, eines der gängigsten und sinnvollsten Mittel, um die Rolle eines verantwortungsbewussten und – wie wir zu sagen pflegen – legitimen Inhabers (oder einer Gruppe von Inhabern) auszuüben. Das Board trägt dazu bei, dass das Unternehmen angemessen geführt wird und in der Lage ist, die strategischen Ziele der Eigentümer zu erreichen. Ein effektives Board beaufsichtigt, begleitet und dient als Sparringspartner des Managements und gleicht die Interessen der relevanten Interessengruppen aus. Ob dadurch tatsächlich ein echter Mehrwert erzielt wird, hängt jedoch nicht nur von der Zusammensetzung des Gremiums ab, d. h. von der Ernennung geeigneter Persönlichkeiten und einer Konstellation von fähigen und vielfältigen Board-Mitgliedern. Es ist auch wichtig, dass das Gremium „Best Practices“ umsetzt und als leistungsstarkes Team arbeitet.

In unserer Arbeit mit privat gehaltenen Unternehmen erleben wir häufig, dass Aufsichtsgremien zwar dem Anschein nach kompetent besetzt sind, aber in ihrer Wirkung auf das Unternehmen enttäuschen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Manchmal ist es ein Mangel an einschlägiger Gremien-Erfahrung, manchmal ein Mangel an Disziplin, manchmal ein Mangel an Führung durch den oder die Vorsitzende(n). Und es kann sich sogar eine destruktive oder geradezu toxische Dynamik unter den Mitgliedern entspannen. Oft beobachten wir eine Kombination dieser Faktoren.

Zu einer guten Board-Praxis gehören nach unserer Beobachtung die folgenden Merkmale:

  • Die Mitglieder arbeiten auf der Grundlage einer gut durchdachten Tagesordnung mit relevanten Themen, in einer sinnvollen Reihenfolge und mit einem angemessen kalkulierten Zeitrahmen.
  • Es werden ausreichend Pausen eingeplant und eingehalten, und sie sind lang genug, damit die Teilnehmer während der Sitzungszeit zu 100 % aufmerksam sein können.
  • Die Tagesordnung wird im Voraus verteilt, wobei die Teilnehmer um Vorschläge gebeten werden und „last-minute“-Änderungen der Tagesordnung nur für unvorhersehbare und sowohl wichtige wie dringende Themen akzeptiert werden.
  • Die zu besprechenden Unterlagen werden eine Woche im Voraus verteilt und vor der Sitzung gelesen. Im Idealfall müssen umfangreiche Dokumente mit einer einseitigen Zusammenfassung versehen sein, die die wichtigsten Aussagen und Entscheidungspunkte hervorhebt.
  • In der Sitzung wird das, was im Vorfeld von den Teilnehmern zur Vorbereitung gelesen wurde, besprochen.
  • Es herrscht eine offene Diskussionskultur, in der Ideen fließen und ein echter Meinungsaustausch stattfindet.
  • Es werden zweckmäßige Protokolle verfasst, d. h. sie beschränken sich auf die Ergebnisse, sind aber detailliert genug, um auch Jahre später noch verstanden zu werden.

Um sicherzustellen, dass ein Beirat tatsächlich einen Mehrwert für das Unternehmen schafft, empfiehlt es sich, die Effizienz des Gremiums regelmäßig zu evaluieren. Dies kann durch die Mitglieder selbst anhand eines strukturierten Fragebogens oder eines digitalen Tools erfolgen. Wir empfehlen jedoch, die Evaluation des Beirats mindestens alle zwei Jahre von kompetenten externen Experten durchführen zu lassen.

Das übergeordnete Ziel eines solchen „Board Performance Reviews“ besteht darin, den Aufbau eines äußerst effektiven und produktiven Beirats zu unterstützen. Diese Bewertung sollte als ein längerfristiger Entwicklungsprozess mit regelmäßig wiederkehrenden Evaluationsterminen betrachtet werden, um eine kontinuierliche Verbesserung der Gremienarbeit im Laufe der Jahre zu gewährleisten. Bei diesem Prozess geht es nicht in erster Linie um die Einhaltung von Compliance-Normen – und auch nicht nur um eine gute Governance; vielmehr geht es um die Entwicklung eines leistungsstarken Board-Teams, das die Formulierung und Einhaltung der strategischen Leitlinien sicherstellt, als Sondierungs- und Sparring- Partner für das Führungsteam fungiert und dazu beiträgt, das Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen.

Herkömmliche Board Reviews konzentrieren sich in der Regel auf die institutionelle Seite, d. h. auf die formalen Aufgaben, die Zahlen, die Strategie oder die Struktur. Dies sind natürlich wichtige Aspekte, aber man muss auch die menschlichen und kommunikativen Aspekte sowie die Gruppendynamik berücksichtigen, wenn man ein leistungsstarkes Gremium aufbauen möchte. Ein High-Performance Board integriert diese Facetten und schafft mehr Raum für eine positive Dynamik. Es arbeitet transparenter, interaktiver – und effektiver.

Was geschieht bei einer wirklich professionellen Board-Evaluierung?

Ein ganz wesentliches Element ist eine Reihe von zweifach-vertraulichen Gesprächen (d. h. vertraulich nicht nur nach außen, sondern auch zwischen den befragten Personen), nicht nur mit allen Beiratsmitgliedern, sondern auch mit anderen relevanten Personen, die mit dem Gremium zu tun haben oder von ihm betroffen sind, z. B. mit der Geschäftsleitung, den Aktionären und möglicherweise einigen engen Beratern.

An diese Gesprächsrunde schließt sich eine von den Beratern moderierte Gruppendiskussion im Board hinter verschlossenen Türen an, bei der auf der Grundlage einer detaillierten Bestandsaufnahme der Berater sowie ihrer Empfehlungen konkrete Verbesserungsmaßnahmen diskutiert und vom Board beschlossen werden. Dabei geht es nicht um Vergangenheitsbewältigung oder darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern darum, die Effektivität des Gremiums für die Zukunft zu verbessern.

Ergänzt werden kann dies durch einen Feedbackprozess. Dieses kann einerseits individuell gestaltet sein, zum Beispiel in Form eines vertraulichen Gespräches unter vier Augen mit jedem Mitglied des Gremiums. Andererseits kann es auch kollektiv gestaltet sein, wie beispielsweise bei einer separaten Sitzung mit dem/der Vorsitzenden, die dazu beiträgt, die Prioritäten und Abläufe des Gremiums – und gegebenenfalls auch seine Zusammensetzung – zu gestalten und weiterzuentwickeln.

Damit der Prozess die vorhandenen Potenziale möglichst weitgehend herausbringen kann, sollte er unserer Meinung nach von zwei erfahrenen Beratern durchgeführt werden, die über genügend relevante und praktische Expertise verfügen und wissen, wie effektive Gremienarbeit wirklich aussieht. Sie sollten zudem in der Lage sein, das Vertrauen aller Mitglieder zu gewinnen, damit die Wirksamkeit und die Integrität des Prozesses gewährleistet sind.

Wenn die Evaluation richtig durchgeführt wird, schafft man damit einen gesichtswahrenden und konstruktiven Weg, um die Effektivität und den Wertbeitrag des Aufsichtsgremiums für das Unternehmens kontinuierlich zu verbessern.

Deshalb halten wir es für ein unverzichtbares Element einer guten Governance-Praxis.