CEO-Nachfolgen erfolgreich gestalten

Onboarding-Tipps für Unternehmer und CEOs

von Carolyn Lutz und Philipp Fleischmann

Stellen Sie sich vor, Sie wären Gesellschafter eines großen, erfolgreichen und diversifizierten Familienunternehmens, das weltweit mit mehreren Tochtergesellschaften, Joint Ventures, Beteiligungen und anderen Unternehmen tätig ist. Vor kurzem stand nun die Übergabe des Unternehmens an, weil keines der Familienmitglieder zu einer Weiterführung der Geschäfte bereit war. Sie haben daraufhin eine Personalberatung mit der Suche nach einem CEO beauftragt. Diese konnte einen Kandidaten ausfindig machen, bei dem sich alle einig waren, dass er der richtige ist. Alle wichtigen Verhandlungen wurden geführt und der Kandidat eingestellt. Die Suchfirma betonte nachdrücklich, dass ein Onboarding- und Integrationsprogramm sehr hilfreich wäre, um diesem neuen CEO zu helfen, die Familien- und Firmenkultur zu verstehen und all die möglichen Fehler zu vermeiden, die bei dem Versuch, sich einen Namen zu machen und frühe Erfolge zu erzielen, passieren können. Sie haben abgelehnt, weil Sie dachten, dass es Ihnen und Ihrem Team gelingen würde, das Onboarding und die Integration alleine zum Erfolg zu führen. Jetzt, 18 Monate später, hat der neue CEO das Unternehmen wieder verlassen, und Sie stehen wieder am Anfang. Was ist schief gelaufen, und wie kann dies in Zukunft vermieden werden?

Vorweg einige Daten und Fakten aus verschiedenen Quellen zu Onboarding und Integration:

  • Unternehmen mit einem Standard-Onboarding und Integrationsprogrammen verzeichnen in den ersten drei Jahren eine 54% höhere Produktivität nach der Neueinstellung und eine um 50% höhere Bindung der eingestellten Personen.
  • Die Zufriedenheit von Führungskräften steigt um 20%, wenn ihre Mitarbeiter ein formelles Onboarding-Training absolvieren.
  • 32% der globalen Führungskräfte sagen, dass das Onboarding, das sie erhalten haben, sehr schlecht war.
  • 73% der Befragten gaben in einer aktuellen Studie an, dass ihre Onboarding-Programme die Leistung neuer Mitarbeiter beschleunigten und die Bindung an das Unternehmen sowie die Loyalität untereinander verbesserten.
  • 50% aller externen Führungskräfte scheitern innerhalb von 18 Monaten in einer neuen Position.
  • Fast 60% der neu eingestellten C-Level-Führungskräfte gaben an, dass sie sechs Monate gebraucht hätten (und fast 20% sagten, dass sie mehr als neun Monate benötigt hätten), um in ihren neuen Positionen voll eingearbeitet zu sein. Weniger als ein Drittel erhielt während des Einstiegs ins Unternehmen eine angemessene Unterstützung, was schwer nachvollziehbar ist, da 80% dieser Personen der Meinung waren, dass gerade diese frühe Unterstützung einen großen Einfluss auf einen schnellen Erfolg hatte.

Die meisten Unternehmen kommen mit den administrativen Formalitäten des Onboardings gut zurecht: Sie sorgen dafür, dass die IT-Anforderungen erfüllt, Visitenkarten gedruckt und Formulare vorbereitet werden sowie die Compliance organisiert ist. Was jedoch oft fehlt, ist eine klare und unterstützende Einführung in die ungeschriebenen Regeln des Unternehmens, die zu den größten Fehltritten eines ansonsten gut passenden Kandidaten führen können. Bei privat geführten Unternehmen kommt hinzu, dass diese ihre Mitarbeiter im Schnitt länger halten und ihre Unternehmenskultur sich anders und langsamer entwickelt, als bei börsennotierten Unternehmen, in denen die Angestellten sehr unterschiedlicher Natur sind und durch Fluktuation mehr Vielfalt herrscht. Die Unternehmenskultur von Familienunternehmen hingegen kann stark von einzelnen Personen beeinflusst sein, und offizielle Berichtslinien können über die tatsächliche Macht und den Einfluss bestimmter Personen hinwegtäuschen. Kandidaten, die „best in class“ sind, aber aus einem börsennotierten oder anderen familiengeführten Unternehmen mit einer andersartigen Kultur kommen, können schnell mit der Eigenart des neuen Unternehmens in Konflikt geraten, wenn sie nicht schon vor ihrem ersten Arbeitstag richtig begleitet werden.

Tipps für das Unternehmen

  • Beginnen Sie das „Onboarding“ bereits in der Interviewphase – sprechen Sie offen über die Stärken und Schwächen des Unternehmens und dessen Kultur, über mögliche Stakeholder und wie Entscheidungen getroffen werden.
  • Die Einplanung von Zeit für die Diskussion von Team- und Organisationsverhältnissen während der Interview- und Onboarding-Phase kann der neuen Führungskraft helfen, unsichtbare kulturelle Barrieren zu umgehen.
  • Die Klärung, wie sich Stärken und Schwächen einer Führungskraft auf die Zielvorgaben der angestrebten Position auswirken, kann dazu beitragen, einen maßgeschneiderten Plan für das Onboarding zu erstellen. Erwägen Sie die Verwendung eines unparteiischen Executive Coaches, der der Führungskraft ein objektives Feedback und/oder dem einstellenden Manager gegebenenfalls eine Hilfestellung für eine Kurskorrektur geben kann.
  • Stellen Sie sicher, dass Handlungsabläufe und Leistungserwartungen, die von strategischer Bedeutung sind, mit der Führungskraft kommuniziert werden. Vermeiden Sie Überraschungen.
  • Wenn ein Problembereich erkannt wird, dann sprechen Sie dies schnell an – je früher ein Problem angegangen wird, desto einfacher kann es gelöst werden.
  • Ein unglücklicher Ehepartner ist die Hauptursache für fehlgeschlagene Berufseinsätze im Ausland. Denken Sie daher auch daran, bei der Orientierung und Integration der Familie zu helfen, insbesondere wenn auch der Ehepartner seine Karriere anpassen muss.

Tipps für den eingestellten Kandidaten

  • Seien Sie proaktiv in Ihrer Kommunikation und achten Sie auf die Besonderheiten der Unternehmenskultur. In einigen Fällen ist es ein schmaler Grat in einem Unternehmen zu arbeiten und gleichzeitig zu versuchen, dessen Kultur zu verändern.
  • Zeigen Sie, dass Ihnen der Aufbau von Beziehungen zu Ihren Kollegen wichtig ist.
  • Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Ihre Vorgesetzten. Der Aufbau von Beziehungen zu Ihrem Team und das Wissen, wie die Verflechtungen im Unternehmen sind, werden einen großen Einfluss auf Ihren Erfolg haben.
  • Erwägen Sie eine Motivationsrede zu halten, in der Sie ihren Grund für den Eintritt ins Unternehmen darlegen und wie Sie Ihre Mitarbeit gestalten wollen.
  • Nutzen Sie die Personalabteilung mit ihren Angeboten. Diese kann Ihnen nicht nur bei den Themen Teamfähigkeit und Entwicklung helfen, sondern auch bei einem „Reality Check“, der Ihnen Feedback von der Organisation über Ihre Leistung und Ihren Arbeitsstil gibt.
  • Achten Sie auf die verschiedenen Stakeholder im Unternehmen und kommunizieren Sie klar, offen und regelmäßig Ihre Schritte, insbesondere wenn Sie als Change Agent eingebunden sind.
  • Reflektieren Sie sich – Ihren Stil, Ihre Vorlieben, Werte und Motivationen – und wie diese zur Organisation und Teamkultur passen.